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Charlie Mariano - Joerg Reiter - Duo

Presse


Schlicht und träumerisch
Charlie Mariano und Lokalmatador Joerg Reiter begeistern mit ihrem Konzert in Schorndorf
Schorndorf
Gerdade als Joerg Reiter zum heimlichen Star des Abends avanciert, klopft "Randy" mit sanften Laut an. Ein Stück wunderbarster Musik, fast schon an Kitsch grenzend - geschrieben von Mariano für Mariano. Inmitten dieser schätzungsweise zehnminütigen Ode an die Wirkungsmacht des Klangs verbinden sich Geräusche vorbeifahrender S-Bahnen startender Motoren und das betörende Saxophon, als seien sie ein zweifellos unzertrennlicher Teil des inneren Welt des Carmine Ugo Mariano. Selten war anschließend eine Zugabe zwingender wie am Donnerstag im ausverkauften "Jazzclub 88" in Schorndorf

Zwischendurch als Charlie Hugo musizierend kennen ihn die Jazzfans seit Jahrzehnten symbiotisch nur noch als Charlie Mariano aus Bosto/USA. er ist eine Legende am Saxophan. Und wie schon die Schwierigkeit der Namensfindung zeigt, war auch die Musik des mittlerweile 81-jährigen nie ausschließlich zu kategorisieren; integrierte er doch unter anderem als einer der ersten Musiker ethnische Elemente in seine Musik und prägte damit seit en 70er Jahren auch stark die europäische Jazzszene. In seinem Heimatland, jedoch blieb ihm bis zum heutigen Tag

die Anerkennung vergönnt. Erhebt Mariano sein Altsaxophon zum Zwiegespräch, ist es ein Genuss, dem wortlosen Gedankenaustausch beizuwohnen. Säuselnde Dialektik, jauchzende Ehrfurhct oder gekränkte Liebe? Von allem etwas. Da röhrt, streichelt, schreit und knarzt das Saxophon. Sein Saxophon. Seine Sicht der Dinge. Schlicht und träumerisch. Da stört auch das beim Jazzkonzert so üblich gewordende Beklatschen von Soloteilen der Künstler, wenn Mariano auf hingebungsvolle Weise seine "Pink Lady" bekniet hat. Gänsehaut sollte die Hände lähmen.
In der Zwischenzeit sitzt er auf seinem Stuhl - ganz in schwarz - als Pendant zu seinem vom Hemd bis zu den Turnschuhen in weißn gekleideten Partner, mit scharfem Oberlippenbärtchen und Bechstein-Flügel, dem Waiblinger Joerg Reiter. Nur der weiße Lockenkopf, im Scheinwerferlicht leuchtend, bleibt Mariano vorbehalten. Geschlossenen Auges lauscht dieser dem Großteil des Programms den Kunststücken Reiters, immer wieder anerkennend mit dem Kopf nickend oder verwundert über dessen Fertigkeiten denselbigen leicht schüttelnd. Reiters virtuos gedrückte Tasten
erinnern oft an tänzelnde Regentropfen, die leise an die Scheibe klopfen, um Einlass zu erbitten in eine Welt voller zurückhaltendem musikalischem Respekt. Melancholie in Moll oder Würdigung des großen Pianisten Scott Joplin. Die Kompositionskunst Reiters füllt mehr als den Raum dazwischen.

Wer allerdings an diesem Abend Anekdoten aus dem musikalischen Leben des Charlie Mariano erwartet, wird enttäuscht. Ansagen bleiben Reiter vorbehalten, und diese beschränken sich aufs Nötigste - Songtitel und Kompositionsehren. Ahc ja, "Paris" war dann doch noch "dedicated to my mother" - Reiters Mutter wohlgemerkt. Mariano lächelt und bleibt auch kurz nahc elf Uhr stumm. "Little Mangalore" heißt der Zwischenstopp in erwartet indische KLangwelten an diesem Abend. Reiter wechselt zwischen Synthesizer und Klavier. Einmal mehr wird in solchen Momenten deutlich, was die Badische Zeitung über Dieter Ilg gesagt hat: Wer einen Joerg Reiter an seiner Seite hat, muss es heißen, "braucht keine Combo und kein Orchester." Und wer das Glück hatte, beide zusammen auf der Bühne zu erleben, braucht nach den Ostereiern gar nihct mehr zu suchen.


JÜRGEN STARK
(Waiblinger Zeitung - 26.3.05)



Jazz-Nacht am See
Mariano und Reiter jazzten
Allensbach (we). Im Rahmen von "Jazz am See" spielten am vergangenen Freitag Charlie Mariano (Sax) und Joerg Reiter (Piano) als Duo in der Evangelischen Gnadenkirche in Allensbach. Vor ausverkauftem (Kirchen-) Haus spielten beide Musiker weitaus mehr Töne als Noten auf dem Papier waren: Abwechselnd, unisono und in gegenläufigen Passagen improvisierten sie um melodiöse Themen herum. Dabei kam Joerg Reiter keineswegs die Rolle der bloßen Klavierbegleitung zu, sondern er übernahm mal die Rolle eines Rhythmusinstruments, als er bassartige, sich wiederholende Passagen zu Marianos Sax-Variationen addierte. Bei diesem Konzert gab er ein paar Einblicke in sein musikalisches Wanderleben: Als letztes Stück vor der Pause spielten sie "South India", arrangiert eigentlich für eine Nagaswaram, eine Art Flöte mit Doppelblatt-Mundstück.
Dann wiederum spielte er fast schon den vornehmen Soloflügel, und es klang, als ob sich Tom und Jerry gegenseitig durch den Kirchensaal jagten.
Charlie Mariano gilt als einer der grossen lebenden Jazzer, in seinem Geburtsort Boston hat er zusammen mit John Birks Dizzy Gillespie gespielt, hörte Duke Ellington und wollte spielen wie Charlie Parker.

Dieses Instrument erlernte Mariano in Süd-Indien, entschuldigte sich, dass er keines dabei habe, mit den Worten: "I play the Sax". Daraufhin spielte er sein Saxofon in Staccato-Manier, um in gebundener Form zu enden. Dieses Thema kam beim Publikum blendend an, wie am anhaltenden Applaus zu hören war.
Auf die Frage, ob er noch einen musikalischen Wunsch habe, der bisher unerfüllt blieb, antwortete Mariano in einem Inerview: "Ja, ich wollte mit Miles Davis spielen aber jetzt ist es zu spät!"
Im Anschluss an das rund zweistündige Konzert zeigte der Allensbacher Filmemacher Willy Meyer seine 1998 im Fernsehen ausgestrahlte Dokumentation zum 75. Geburtstag von Charlie Mariano.

(Singener Wochenblatt - 1.9.99)



Konzertbeginn mit minutenlangem Applaus
Mariano und Reiter spielten in der ausverkauften Gnadenkirche Allensbach
"Ihr seid das beste Publikum, das wir je hatten", sagte ein strahlender Charlie Mariano während des Konzertes mit Pianist Joerg Reiter in der Evangelischen Gnadenkirche in Allensbach. Und dieses Mal klang der Satz glaubhaft. In dem vollen Kirchenschiff brandete schon nach den ersten Stücken ein wahrer Schlußapplaus über die beiden Musiker: lang, leidenschaftlich und von ungezügelter Begeisterung.
An solch einer Begeisterung prallt natürlich jede Kritik als kleinliche Mäkelei ab. Denn das knapp zweistündige, ausgezeichnete Konzert rechtfertigte keineswegs die tobende Begeisterung des Publikums. Zu oft nahmen Mariano und Reiter den einfachen Weg, reihten wunderschöne Soli aneinander und stellten die Melodien in den Vordergrund. Es war mehr ein Improvisieren über Themen, als ein freier Dialog zweier formidabler Musiker, die jegliches Scheuklappendenken verabscheuen.
Allein schon der Lebensweg des 1923 in Boston geborenen Altsaxophonisten Mariano zeugt von künstlerischer Kontinuität, nie aufhörender Neugierde und Abenteuerlust.
Er spielte jeden Jazzstil der vergangenen 60 Jahre; immer auf höchstem Niveau und oft schon, bevor er zu einem Trend mit festen Formen gerann. Unverwechselbar war bei allen Experimenten immer sein schon nach Sekunden erkennbarer Ton. Diese eingängige Mischung aus Melodie und Expressivität. Charles Mingus nannte sie vor fast 40 Jahren "tears of sound".
Der 1958 in Waiblingen geborene Joerg Reiter verdiente seine Sporen in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter anderem bei Peter Herbholzheimer. Dort begegnete er auch Charlie Mariano. Seitdem spielen sie in wechselnden Besetzungen zusammen. Mal mit einem Bassisten, mal mit einem Gitarristen oder, wie in Allensbach, als Duo.
Schon in den ersten Konzertminuten wurde deutlich, warum Charlie Mariano mit Joerg Reiter spielt und warum er ihm während des Konzertes so viel Raum gab. In seinen langen Solo-Passagen türmte er Noten aufeinander. Fließend, mit einem Hang zur puren Schönheit, näher an der Romantik und an
europäischen Klangvorstellungen als am US-amerikanischen Mainstream-Jazz, und einem stupenden melodischen Empfinden durcheilte er die Harmonien: elegant, kraftvoll, vital, leichtfüßig-flink wie der junge Belmondo in seinen besten Abenteuerfilmen.
Ganz anders Charlie Mariano. Sein Ton ist immer noch unverwechselbar. Aber in der Gnadenkirche spielte er sparsamer als früher. Der drängende Ton, die durch Melodien oft nur mühsam gebändigte Expressivität, verzichtet immer mehr auf jegliches Beiwerk. Klarer und abstrakter treten die Strukturen hervor, die in ihrer Kürze schon harsch und abweisend wirken. Teilweise haute Mariano in einem Stück eine Spannung auf, die erst mit dem plötzlichen Ende eine Auflösung fand. So bei seinem Klassiker „Plum Island". Ein Höhepunkt des Abends. Genauso wie die sehr zurückhaltende Interpretation von Mingus "Goodbye Pork Pie Hat" und der als zweite Zugabe gespielten kurzen Improvisation über den Standard "Stella by starlight".

AXEL BUSSMER
(Südkurier - 30.8.99)

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