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Ack van Rooyen - Joerg Reiter Duo

Presse


Beflügelnde Intimität
Jazz mit Joerg Reiter und Ack van Rooyen in Tutzing
TUTZING - Wenn es so etwas wie Kammerjazz gibt, dann war er in hochkarätiger Form am Sonntagabend in der Evangelischen Akademie zu hören. Die Musik des Flügelhornisten Ack van Rooyen und des Pianisten Joerg Reiter schwang sich jedoch schon in den ersten Tönen über jedes Etikett hinaus. Es entstand in ihrem Konzert im Handumdrehen eine Hingabe und Konzentration, wie man sie sonst vor allem von guter Kammermusik her kennt, Tongenauigkeit und Präzision waren bestechend. Der Jazzerfahrung der zwei überzeugenden Musiker entwuchs jenes gewisse Etwas, das man Swingfeeling nennt, die Bereitschaft auch, jedes Stück in gewissen Teilen improvisatorisch als neues Abenteuer anzugehen.

Da vollzogen sich im Duett klangliche Stafettenläufe, zunächst Hand in Hand, teils unisono in frappantem Gleichschritt,

dann die Stabübergabe und der eine der beiden Musiker durchquerte alleine ein musikalisches Tal mit seinen Klangwäldern; lustigen Bächlein, stillen Seen und durchfurchten Meeren, bis sie sich wieder zusammenfanden.

Erstaunlich war die Nähe, die man zwischen den beiden Musikern verspürte, dieses gegenseitige Sich-umranken und Verweben. Dabei blieb aber auch jeder der beiden zentriert, in seiner speziellen Art des Musizierens, auf dem ureigenen Gipfel seines Könnens.

Ack van Rooyen und Joerg Reiter kannten sich von der Peter Herbolzheimer Rhythm Combination & Brass, begleiteten 1992 einen Tucholsky-Abend mit Cornelia Froboess musikalisch und stellten dabei fest, wieviel Lyrik und Poesie ihre Musik alleine schon in sich trägt.

Die in Tutzing unter grünem Scheinwerferlicht gezeigten klanglichen Jazz-Liebesgedichte waren dann auch von besonderer Schönheit und ein wahres Entzücken für den noch nicht allzu großen harten Kern der Tutzinger Jazzfans. Es wäre eine besondere Genugtuung, wenn schon vor einem so wertvollen Konzert den potentiellen Konzertbesuchern klar würde, daß hier Musik genossen werden kann, die in ihrem Innersten herrlich vibriert und damit, unabhängig von Stil und Etikette, für jeden sensiblen Musikliebhaber eine Wonne ist.


GEORG MERTEN
(Süddeutsche Zeitung - 22.9.98)



Im Dienst Des Klangkonzeptes
Ack van Rooyen und Joerg Reiter gastieren in der Kammgarn
Es ist eine Schande, dass der 70-jährige Ack van Rooyen und Joerg Reiter immer noch eine Art Geheimtipp sind. Wenn dieses unter Kennern für lengendär befundene Duo, das manche sogar als eines der besten in der Welt bezeichnen, mit seinen beiden Konzerten in den letzten Jahren daran nichts ändern konnte, so wird auch der meisterliche Auftritt am Donnerstagabend in der Lauterer Kammgarn diesen unangemessenen Status nicht ändern können.

Vielleicht liegt ihr Dilemma darin begründet, dass sie keine spektakulären Intros oder Soli im Angebot haben, sondern dass sich die beiden stets in den Dienst ihres Gesamtkonzepts stellen. Lange haben sie am richtigen Sound gefeilt und Verhältnisse, Atmosphären, Räume verändert. So war auch das Konzert am Donnserstag wieder etwas Besonderes: ein Konzert, das Essenz und Vision, Statement und Aufbruch zugleich war.

Und zu zweit gelang es ihnen, die Grenzen ihrer Instrumente auszuloten. Vor allem zelebrierten die beiden Hohepriester des Jazz die Kunst des Duos auf einem ungeahnt hohen Niveau. Man muss sich hineinzuhören versuchen in ein derartiges Duo, um zu begreifen, was da nicht nur an musikalischer, sondern auch an menschlicher Beziehung und Dichte "ins Spiel gebracht" wird. Schöne Beispiele sind Van Rooyens Kompositionen "Song for Art Farmer" und "Mr. Pacman". In der Regel trägt am Anfang der Holländer das Thema vor.

Aber das ist gleich von der ersten Note an ein Werben um den Partner, der mit seinen lyrischen Linien auf dem Klavier sofort eine eigene, andere, kontrastierende, aber auch komplementierende Qualität auf die Palette bringt: klarer, dafür weniger irisierend. So ensteht ein Dialog: das Thema als Frage, auf das in seiner zweiten Hälfte Reiter antwortet. Kein Zweifel, die Antwort ist komplexer. Langsam wird der Pianist härter, inistierender, "jazziger"; aber schon nimmt er sich zurück, spielt so zart, so vorsichtig, dass eine Porzellanfigur danach tanzen könnte, ohne zu zerbrechen. Das Zusammenspiel von Rooyen und Reiter ist ein Verwobensein, das sich der sprachlichen Beschreibung entzieht. Der Zuhörer traut sich kaum. Applaus zu geben, um diese Harmonie nicht zu zerstören, um dieses zarte Gewebe nicht zu zereißen.

Alles fließt, strömt in ruhigem Fluss und nimmt ihm den Atem. Am liebsten möchte man diese Musik ohne Verstärker, ohne Mikrophon in sich einsaugen. Eine Sternstunde des Jazz abseits aller Klischees: Neues, Altbekanntes, Vergeistigtes, Emotionales, Poetisches, Lyrisches, Sonderbares, Wunderbares.

In ferne Galaxien fällt oder trudelt Reiter auf dem Klavier. Und Rooyen pflegt die Kultur des subtilen Hinhörens, des gegenseitigen Erahnens, in dem Konsens nicht im Widerspruch zum unverminderten persönlichen Ausdruck steht, in dem sich Stücke nicht nach Tonarten,

sondern nach Farben definieren. Sein Spiel klingt, als wolle er mit einem Atemzug alles durchmessen, Räume voller Menschlichkeit mit beiläufigen, gläsern-spröden, hauchzarten Wellen.

Wundersame weiche Kühle dringt aus Reiters Pianospiel. Getupfte Akkorde, lang gezogene, weiche Linien entweichen gegen Unendlich - und doch folgt alles einer durchdachten Struktur, die in einem Sinn für coole Atmosphäre und Beschränkung gipfelt und alles in eine orchestrale Ästhetik transformiert. Die Zuhörer bedankten sich mit langem und begeistertem Beifall.


VON UNSEREM MITARBEITER WALTER FALK
(Die Rheinpfalz - 25.11.2000)



Musik wie guter alter Wein
BAD SAULGAU (obi) - "Autumn Pugle - Flügelhorn im Herbst" hieß eines der Stücke, das Ack van Rooyen und Joerg Reiter beim Konzert im Foyer der Stadthalle boten. Und dieser Titel war programmatisch für einen Abend, der wie der Herbst des Lebens klang: Gelassen, ausgeglichen, voller Rückblenden.

Frei von Sentimentalität sind die Stücke der beiden Haudegen des Jazz - der eine, Flügelhornist Ack van Rooyen, der bereits Ende der fünfziger Jahre in Paris von sich hören ließ. Später verdiente er mit Lee Konitz, Wolfgang Dauner, Peter Herbolzheimer und schließlich als Mitglied des United Jazz & Rock-Ensembles seine Brötchen. In Herbolzheimers Rhythm Combination & Brass swingte er mit dem Pianisten Joerg Reiter.
Seit mehr als zehn Jahren dauert die Zusammenarbeit an, und da spielt ein Altersunterschied von 28 Jahren keine Rolle: Gelöst spielen die beiden Herren auf - wie zwei, die die großen Dinge der MUsik mit Gelassenheit betrachten. Was an diesem Abend entstand, war

schnörkelloses Zusammenspiel zweier profilierter Musiker, die voller Gegensätze ihre Instrumente beherrschen, ohne sich zu reiben: Reiter mit wuchtigen, kantigen Akkorden, vollgestopft mit rasenden Läufen, die eruptiv, wie Fontänen, das harmonische Gerüst umspielen.
Daneben van Rooyen: In seinen Händen wird das Flügelhorn zum Seismografen - so empfindlich, dass es auf jedes Riff, jede Stimmung des musikalischen Materials sofort reagiert. Van Rooyen braucht kein Vibratio, keine unendlich modulierten Töne, keinen fetzigen Ansatz: Hier gibt es nichts zu erobern, hier fließen die Töne rund, wie abgeschliffen aus dem Flügelhorn.
Die Musik des Duos ist wie alter Wein, der einfach nur genossen werden will - Standards wie "Softly as in a morning sunrise" feierten in der Interpretation van Rooyen/Reiter schon vor mehr als zehn Jahren ihre CD-Premiere, klingen aber immer wieder neu. So wie "Because I love you" gelassen, tänzerisch, hingeplaudert ist, als belausche man das Gespräch einer Runde alter Freunde, mit Jokes, die eigentlich

nur sie richtig verstehen. Reich an Anspielungen an alle Strömungen des Jazz muss die Musik der beiden sein: Wie Lichtflecken, die auf ein altes Fotoalbum fallen, blitzt hier ein Spur Bebop, dort ein Schuss Hardbop auf - tief geschöpft aus Soul, Gospel und Blues, die immer mal wieder zwischen den Noten hindurchlugen.
Da kann Reiter dann zupacken - heiß, schwer, dass allein das Zuhören schon sattmacht. Sagenhaft Kompositionen wie "Caprice", von Joerg Reiter wie auf Zehenspitzen begonnen, sich durch ein paar Changes durchschaukelnd, in eine nahezu spirituelle Floskel endend. Kurz öffneten Reiter und van Rooyen das Fenster Richtung Modern Jazz - mit einem beunruhigenden "Mr. Pacman", das wie das gleichnamige Computermännchen die Meldoie zerschreddert, um dann ironisch und mit seltsam hinkendem Swing wieder zum Thema zu kommen. Das ist Musik, von der jeder Zuhörer ein Stück bereits im Kopf mit sich trägt. Was sie im Foyer erlebten, war ein schöner Abend unter alten Bekannten, die an diesem Abend miteinander an einem Tisch saßen.

(Schwäbische Zeitung - Bad Saulgau - 24.3.2003)



Komplexes Jazzkonstrukt
Flügelhorn und Klavier - Duo van Rooyen/Reiter in Allensbach
Als sei es eine Art Symbol klerikaler Verbundenheit, kreuzt Joerg Reiter die Arme. Es ist Freitag, in der Gnadenkirche Allensbach. Jazz am See. Joerg Reiters Stück "Silent Lines" steht an. Stille. Stetig steigende Spannung. Reiter stimmt den Bass an, mit rechts. Die linke Hand führt brav ihre aus zwei Akkorden gebaute ostinate Sequenz aus. Ein Hin und Her. Während es von unten her grummelt und Reiter bizarr-abstrakte Bassstaffetten aus dem Flügel kratzt - kantig, rasch, so rasch, dass man mit dem Nachhören kaum hinterher kommt - dienen ihm die schwebenden Harmonien als trivialer, flächiger Kontrapunkt.
Doch Joerg Reiter sitzt fast bewegungslos am Klavier. Die Finger spielen, nicht Körper oder Arm. Sein Anschlag ist deswegen robust und präzise, eher deklamierend als singend, eher alamierend als beruhigend.
Vielleicht ist dies das dialektische Erfolgsrezept des Duos?Denn van Rooyen setzt dem virtuosen und gesanglcih eher abstinenten Ton Reiters mit seinem Flügelhorn eine schäfchenwolkenhafte Flauschigkeit entgegen.
Sobald er spielt, wendet sich die Musik schlagartig, sie beginnt zu singen, wird humaner, aber auch gefälliger. Auch in "Silent Lines" mit seinen Aufhellungen und Abdunkelungen, dem Spiel mit der großen und kleinen Terz. Rooyen steht für Melodik, für Nachvollzieh- und Fassbares. Reiter für Struktur, Experiment, Virtuosität. Im Disput ensteht die Synthese. Der Jazz, den die beiden fabrizieren, ist deswegen ein komplexes plastisches Konstrukt. Er ist fern von jenem Muster, welches man bei vielen Real-Book-Spielern allzu oft und leicht durschauen kann. Er ist aber auch fern von der Spinnerei eines perfekt durchkomponierten und deswegen oft adynamischen Jazz.
Wie das Duo Reiter/van Rooyen feste Strukturen aufnimmt, sie motivisch analysiert, aufbricht oder demontiert, wie es sie dann wieder zu neuem, mit improvisatorischen Einsprengseln durchwachsenen Leben erweckt, konnte man am Beispiel von "Softly as in a Morning Sunrise" des Hollywoodkomponisten Sigmund Romberg (1887-1951)

beobachten. Eigentlich ein Tango, wurde das mit der stärksten strukturellen Bindung ausgestattete Werk in der schnittigen, schrägen und risikoreichen Interpretation zum Extrem des Unnormalen, das eigentlich in jeder Sekunde für Überraschung sorgte.
Vermissen ließen die beiden wenig. ihr Jazz ist melancholisch geprägt. Manchmal vermisst man da Anflüge von Heiterkeit. Diese blieben auf die Ansagen van Rooyens beschränkt. Und kurzfristig hatte man den Eindruck, dass die freien Improvisationen einer statischen, eher (finger-)technisch verfügbaren Spielschablone folgten; etwa Reiters aberwitzig schnelle Tonverwirrungen in seinem Eigenwerk "Hallo Mr. Packmann". Die klangliche Synthese des Duos indessen verdient höchste Bewunderung. Es gibt nicht allzu viele Jazzer, die mit solcher Kreativität zur Sache gehen. Die Gnadenkirche wusste es zu schätzen.


STEFAN M. DETTLINGER
(Südkurier - 30.10.2000)

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